Die körperliche Reife und die Lernschwierigkeiten
Die Rolle der Integration von „frühkindlichen Reflexen“ bei der Behandlung von Lernschwierigkeiten
Autorin: Katharina Otto, Heilpraxis für Kinesiologie und Psychotherapie
Für Lesen und Schreiben, wie auch die Art und Weise, wie ein Mensch sich bewegt, verhält, wie er einen Ball fängt und wirft oder etwa einen Stift oder Tennisschläger hält, kann durch seine nicht integrierten „frühkindlichen Reflexe“ und „Haltungsreflexe“ geprägt sein. Bei Kindern, die sich nicht gut konzentrieren können, leicht aggressiv werden und wenig von dem zeigen, was sie können, spielen sie häufig eine massgebliche Rolle:
Diese speziellen Reflexe sind unfreiwillige Bewegungsabläufe. Sie können durch Kopf- und Halsbewegungen des Kindes ausgelöst werden. Auch starke Reize, laute Klassenzimmer, helles Licht und Berührung können diese körperlichen Bewegungsabläufe in Gang setzen, die das Kind weder bemerkt noch kontrollieren kann.
Unter Stress können sie bei jedem Menschen hervortreten.
Bei „auffälligem Verhalten“ von Kindern sollte die Rolle von Reflexen deshalb bedacht werden: z. B. bei Hyperaktivität, Rechtschreibschwäche, Legasthenie, ADS und ADHS.
„Frühkindliche Reflexe“ und „Haltungsreflexe“ sind angeborene, sich automatisch vollziehende Bewegungsabläufe. Sie sind die treibende Kraft, durch die sich ein Kind von einem hilflosen Säugling zu einem Kind entwickelt, das saugt, sich rollt, krabbelt, das läuft, rennt, springt, spricht und sich aufrecht bewegt. Die Reflexe rufen automatische Bewegungsabfolgen hervor, die das Kind „übt“, bis es lernt, sie bewusst und absichtlich auszuführen. Erst wenn es sie durch die häufigen Wiederholungen „integriert“ hat, lösen sie keine weiteren unfreiwilligen Handlungen und Reaktionen mehr aus.
Nicht vorhandene oder unterentwickelte Halte- und Stellreflexe sind bekannt als Ursache für Koordinationsschwierigkeiten und motorische Entwicklungsstörungen bei Kindern. Fortbestehende frühkindliche Reflexe können einen direkten Anteil daran haben, wenn Kinder nicht nur in ihrer Motorik, sondern auch in der Sprachentwicklung, der Wahrnehmung, beim Lernen und/oder im Verhalten auffällig sind. Dabei hängt es vom Grad der Reflexaktivität und des Reflexmusters ab, in welchen Bereichen und vor allem wie schwer ein Kind beeinträchtigt ist.
Erkenntnisse aus der Gehirnforschung zeigen, dass frühkindliche Reflexe, die über den normalen Zeitraum ihre Wirkung beibehalten, nicht nur zu untypisch verlaufenden Bewegungsentwicklungen führen, sondern auch ein „normal“ erscheinendes Kind in den unterschiedlichen Bereichen seiner Entwicklung (Bewegung, Wahrnehmung, Verhalten, Sprache, Lernen) empfindlich beeinträchtigen können.
Mitunter kann jedoch auch der notorische Bewegungsmangel der Kinder Probleme verursachen: Sportwissenschaftler haben herausgefunden, dass Kinder sich viel zu wenig bewegen. Kinder bewegen sich heute durchschnittlich nur eine Stunde am Tag, davon nur 15 bis 30 Minuten intensiv. Sie untersuchten ihre Fähigkeiten, sich zu bewegen und ihre körperliche Reife bei den Einschulungsuntersuchungen: ein Drittel der Kinder weisen Entwicklungsstörungen auf!
Ihr Fazit: Bei der Hälfte dieser Kinder liegt es am Bewegungsmangel: ihre frühkindlichen Reflexe konnten sie aufgrund von Bewegungsmangel nicht ausreichend oder nicht vollständig abbauen.
Was können Sie gezielt tun?
Meine Lernberatung bietet Ihnen ein Konzept und Angebot zum Umgang mit den spezifischen Lern- und Verhaltensproblemen. In der gemeinsamen Arbeit mit Kind und Eltern suchen wir diesen Themen auf den Grund zu gehen. Bei der Einzelarbeit kann im psychotherapeutischen Rahmen effektiv und konzentriert an Mustern gearbeitet werden. Durch die sog. kinesiologischen „Balancen“ kann der Stress auf heftige äußere Reize und eigene Bewegungsmuster effektiv reduziert werden. So kann die betroffene Person – ob Kind oder Erwachsener – gelassener auf Reize reagieren, die gewünschten Bewegungen leichter ausführen und andere, unfreiwillige Bewegungsmuster auflösen. Die kinesiologische Beratung führe ich von der erziehungswissenschaftlichen und psychologischen Seite her durch. Diese therapeutische Einzelarbeit kann den Rat des Arztes nicht ersetzen, jedoch häufig sinnvoll ergänzen.
Die begleitende Kinesiologie stellt sich als eine hochspezialisierte Arbeit auf dem Gebiet der Stressreduktion dar: Sie befasst sich nicht mit einer „Störung“ im eigentlichen Sinn, sondern mit den möglicherweise stressbedingten Ursachen. Daher kann die Arbeit mit Hilfe der sog. „Balancen“ im Rahmen der Stressreduktion große Entlastung bewirken.
Der Gedanke, frühkindliche Reflexe könnten Einfluss auf das Sprechen, Lernen und Verhalten haben, ist für viele von uns neu und vielleicht auch ungewöhnlich. Einzelarbeit im Rahmen von Lernberatung und Psychotherapie sowie Seminare können Sie darin unterstützen nachzuvollziehen, warum „normal“ erscheinende Kinder mit motorischer Unruhe, Konzentrationsmangel, Sprachschwierigkeiten bzw. Lern- und Verhaltensproblemen „auffällig“ werden.
Die Arbeit mit Kindern und Erwachsenen zielt darauf ab, Sie tiefergehend für das Thema „frühkindliche Reflexe“ zu sensibilisieren. Wie können Sie Probleme einschätzen, die im Zusammenhang mit erhalten gebliebenen frühkindlichen Reflexen entstanden sind? Wie können sie behoben werden?
Seminare:
Es gibt eine Reihe von Spielen, Liedern und Übungen für die Integrationsarbeit von Reflexen, die ich bei Seminaren unterrichte. Wer sie mit Kindern im Kindergarten- oder Schulalter anwendet, kann feststellen: die Kinder können sich besser konzentrieren, sind motivierter und beruhigen sich. Die Spiele und Lieder helfen, die „Mittellinie“ zu überqueren, beide Hirnhälften einzuschalten und sich mit beiden Körperhälften integriert zu bewegen. Sie fördern Motorik und bereiten auf Lesen, Schreiben und Rechnen vor. Sie sind wichtig für Wahrnehmung, Verhalten, Reizempfindlichkeit, Hören, Sehen und Orientierung.